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Das Stadtarchiv ist unser kollektives Gedächtnis, der neue Standort Impulsgeber für Kultur und Stadtentwicklung

Rede des Vorsitzenden der CDU-Stadtratsfraktion Stadtrat Dr. Ulrich Reusch in der Stadtratssitzung am 21.06.2023

Als gelernter und viele Jahre aktiv arbeitender Historiker, bevor ich 1989 in die staatliche Verwaltung eintrat, darf ich vorausschicken, dass mir unser Stadtarchiv gewissermaßen von Berufs wegen eine Herzensangelegenheit ist. Ich habe selbst über 15 Jahre lang in zahlreichen ausländischen und deutschen Archiven, Staatsarchiven, Parlamentsarchiven, Universitätsarchiven, Stadtarchiven und Privatarchiven, gearbeitet und geforscht, weiß also, wovon ich spreche.

Das Stadtarchiv ist das kollektive historische Gedächtnis der Stadt. Es hat nicht nur eine identitätsstiftende und wissenschaftliche Funktion, sondern auch große praktische Bedeutung für die Bürgerinnen und Bürger und nicht zuletzt die Stadtverwaltung und deren laufende Verwaltungstätigkeit. Nur wer die, wer seine Geschichte kennt, kann sicher und zukunftsweisend handeln.

Das Stadtarchiv verwahrt nicht nur Verwaltungsakten, sondern auch Bauakten, das sehr umfangreiche und in dieser Form einmalige Bauarchiv der Stadt mit ihren überaus zahlreichen Baudenkmälern, sowie Personenstandsurkunden, Druckerzeugnisse, wie z. B. lokale Zeitungen, sonstige Dokumente und auch Gegenstände, Fotos, Sammlungen, Nachlässe, die seiner Zweckbestimmung entsprechen und ein möglichst vollständiges Abbild historischer Vorgänge ermöglichen. In zunehmendem Maße werden digitale Überlieferungen hinzukommen. Wir als CDU-Fraktion haben uns im Vorfeld der heutigen Beratungen wieder einmal die Zeit für einen Besuch und eine ausführliche Führung im Stadtarchiv genommen. Der amtierenden Leiterin, Frau Maren Gündel, möchte wir an dieser Stelle ganz herzlich für mannigfache Einblicke in Arbeit und Bestände des Archivs danken.

Nur ein gut geordnetes, erschlossenes, konservatorisch gepflegtes und allgemein zugängliches Archiv kann dieser Aufgabe, kollektives Gedächtnis der Stadtgesellschaft zu sein, gerecht werden.

Das Radebeuler Archiv verfügt über bedeutende, hinlänglich wichtige Bestände, die es mehr als wert sind, dass sie bewahrt, erschlossen und weiterhin zugänglich gemacht werden. Das ist bisher auch in vorbildlicher Weise unter der langjährigen Ägide von Frau Annette Karnatz gelungen. Ein herzlicher Dank für diese, das darf man wohl sagen, Lebensleitung unserer verdienten Stadtarchivarin.

Ohne das Stadtarchiv wäre ein so ehrgeiziges und ungemein erfolgreiches, so positiv von der Bürgerschaft angenommenes Projekt wie das bereits in 3. Auflage erschienene Stadtlexikon, zurecht untertitelt als „Historisches Handbuch für die Lößnitz“, nicht realisierbar gewesen. Das Handbuch ist ein unverzichtbarer Beitrag, ja konstitutiver Bestandteil unserer Stadtidentität.

Das Beispiel zeigt, dass in diesen Hinsicht noch viel mehr möglich wäre, verfügte das Archiv über geeignete Räumlichkeiten, um eine Dauerausstellung seiner Bestände und thematische Wechselausstellungen zur Stadtgeschichte zu präsentieren und nicht zuletzt auch Workshops z. B. für Schulklassen im Rahmen von Projektarbeiten und Projektwochen zu organisieren. Das wäre im übrigen auch eine Art von Stadtmuseum.

Der vorgesehene neue Standort im ehemaligen MEDA-Gebäude, über den es heute zu beschließen gilt, gewährleistet nicht nur eine Fortführung der Arbeit des Archivs auf deutlich verbessertem Niveau und befriedigt nicht nur den für die Zukunft erforderlichen erhöhten Bedarf an Magazinen und Arbeitsräumen; mehr noch: Der neue Standort ermöglicht, wissenschaftlich, pädagogisch, identitätsstiftend, eine breitere Wirksamkeit, die dem Archiv künftig einen auch öffentlich sichtbaren Platz unter unseren städtischen Kultureinrichtungen verschaffen wird. Dazu zählt ferner die in dem Gebäude vorgesehene Unterbringung der umfänglichen städtischen Kunstsammlung, möglichst in Form von Schaudepots. Der Komplex bietet noch weitere Möglichkeiten der Kommunikation und Begegnung, so dass das Archiv neben Stadtbibliothek und Stadtgalerie den Rang eines „dritten Ortes“ erlangen wird.

Das Stadtarchiv muss sein jetziges Quartier verlassen. Es benötigt ohnehin künftig viel mehr Raum als bisher, übrigens auch ohne die soeben ausgebreitete Vision. Wir kommen nicht umhin, eine zukunftsweisende Lösung zu finden. Warum dann nicht gleich die größere wählen, die zahlreiche weitere Optionen eröffnet, zumal sie im Ergebnis des vorgelegten Variantenvergleichs langfristig die wirtschaftlichste ist?

Gewiss, die dafür veranschlagten Kosten sind hoch, aber das Fenster, das sich hier geöffnet hat, dürfen wir nicht – wie leider bei anderen Projekten geschehen – fahrlässig verpassen oder gar absichtlich zuschlagen. Nutzen wir also diesmal bitte diese Chance zu einem wirklich großen Wurf!

Wir als CDU-Fraktion sind für die MEDA-Variante, weil sie die wirtschaftlichste ist, weil sie durch Nutzung einer leerstehenden Industrieimmobilie nachhaltig ist, weil sie weitere Möglichkeiten für die Kultur eröffnet, weil sie Synergien mit anderen kulturellen, schulischen und sportlichen Einrichtungen zulässt und weil sie, schließlich, die Stadtentwicklung unserer städtischen Mitte voranbringen kann.

Ich bin sicher: Der neue Standort wird ein Impulsgeber für Kultur wie Stadtentwicklung werden.